Mittwoch, 24. Oktober 2012

"Tía, Tía, Tía!!"


„Tía, Tía, Tía!! Tienes cable en Alemania? Tienes hijo? Tienes pololo?”
Tante, Tante, Tante!!
Habt ihr Strom in Deutschland? Hast du Kinder? Hast du einen Freund?


Ja, der erste Tag im Colegio und der Residencia ist gekommen. Heute waren wir zum ersten Mal im Colegio Jorge Williams und der Residencia für Niñas. Das Colegio ist eine kostenlose Schule des Guays für Kinder aus Familien mit schwierigen Verhältnissen. Die Eltern haben zum Teil wenig Geld und sind die Armen der Armen oder haben Drogen-, Alkohol-, Gewalt- oder Missbrauchsprobleme. Die Residencia ist ein Kinderheim, aufgeteilt in ein Mädchen- und ein Jungenhaus, wo auch Kinder leben, die aus eben diesen Verhältnissen kommen.

Heute Morgen sind wir dann zum Colegio nach Placeres (einem Hügel hier in Valpo) gefahren und wurden gleich mal auf die Klassen aufgeteilt. Rahel und ich waren heute in 2 Reli-Klassen, wo wir einfach mitgeholfen haben, dass die Kinder halbwegs mitmachen und auf ihren Plätzen bleiben. Denn das ist hier ein bisschen anders. Die Kinder rennen die ganze Zeit rum, reden, spitzen ihre Stifte. Es gibt nicht diese feste Ordnung wie in den deutschen Schulen.  Viele allerdings haben aber gar keine Stifte oder Materialien.
Ein Junge hat gar nicht mitgemacht, weil er nur geschlafen hat. Er sagt, dass er nicht schlafen kann, weil jemand in seinem Haus schnarcht…
Gemeinsam mit den Kindern haben wir gemalt, den Bibelvers für die Woche abgeschrieben und gelernt, dass man mit seinen Freunden teilt und sich nicht schlägt.
Die Lehrerin ist ganz schön beansprucht mit den Kindern. Selbst für uns, die wir jetzt nur einen Tag da waren, war das ganz schön anstrengend.
Die Kinder sind sehr herzlich und lebhaft, laut und neugierig. Sofort kommen sie auf einen zugerannt und rufen „Tía, Tía (=Tante, so wie hier alle Lehrer und wir jetzt auch genannt werden)! Wie heißt du? Hast du Kinder? Hast du einen Freund?“. Ein Junge hat mich dann gefragt “Hay cable en Alemania?“  (gibt es Strom in Deutschland). Das hat mich erst verwundert und ich hab gedacht, ich hätte es falsch verstanden. Aber dieser Junge hat kein Strom in seinem Haus. Und er ist sicher nicht der einzige. Stellt euch mal vor, wie das ist ohne Strom. Was bedeutet das?? Kein Licht, wenn es dunkel wird, kein Wasserkocher, kein Kühlschrank, keine Elektrogeräte, nichts, was irgendwie mit Strom zu tun hat. Wir haben selber so viel, was so selbstverständlich ist, was wir nicht aktiv als wertvoll schätzen.

Nach dem Colegio sind wir in die Residencia gegangen. Dort waren noch nicht so viele Kinder da, weil viele noch in der Schule waren. Wir haben dann mit ein paar Kindern gemalt und später Hausaufgaben gemacht, deutsche Kinderlieder (Bärenstark) mit Bewegungen gesungen oder Klatschspiele gemacht. Das war auch ganz schön.
Generell haben wir ja schon letzte Woche mit den  Projekten angefangen. Wir waren in Las Cañas, wo wir für die Armenspeisung gekocht haben, zusammen mit den Leuten gegessen und danach ein Taller de Mision (Art Bibelstunde) gemacht haben. Es kamen 3 Männer, aber das ist für den Anfang ganz gut. Wir haben am Anfang „Fischer Fischer wie weit darf ich reisen“ gespielt – mit Erwachsenen. Und ihr glaubt nicht, wie sehr das Spaß gemacht hat. Strahlende Augen – es spielt doch noch jeder gern. Gemeinsam haben wir dann noch ziemlich lang geredet, was nicht immer ganz einfach war, weil die Leute einen starken Akzent haben und oft auch ein bisschen nuscheln. Und ich versteh leider noch nicht ganz alles auf Spanisch – auch wenn´s für die Zeit, die ich jetzt schon da bin echt gut ist. Wir haben einfach viel zugehört und das langt für den Anfang vollkommen. Man merkt, dass es den Menschen gut tut, wenn ihnen einfach nur zugehört wird.
Später haben wir Brot gebacken und Essen für die Kinder gemacht. Für sie haben wir auch eine kleine Andacht mit Theater vorbereitet.
Ja, es geht jetzt wirklich los.

Hier ist mal eine Art Stundenplan, was ich hier so die Woche über mache:

Zeit
Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Fr
Samstag
So
Vor
mittag
Colegio Jorge Williams
Placeres

Taller de Mision

Jungschar
Las Cañas

kochen

Taller de Mision

 Andacht für Kinder
Besprechung mit Susana
Frei
Curso de Lideres (Mitaarbeiter-
Schulung)
Frei
Nachmittag
Residencia de Niñas
Residencia de Niñas

Abend
Taller de Mision für Jugendliche
Besprechung mit den Jugendlichen




1x im Monat Hauskreis für Jugendliche
1x im Monat Hauskreis für Erwachsene




Das ist hier aber alles nicht so fix wie in Deutschland, d.h. dass sich alles noch verändern kann – und das tut es auch ständig. Mit dieser Spontaneität lernt man zu leben, oder tut zumindest so… ;)
In unserer Freizeit bereiten wir unsere Andachten, Spiele und Programme vor, übersetzen und haben aber auch Zeit für uns.
So, das war´s dann mal wieder von mir. Leider hab ich dieses Mal nicht so viele Bilder, aber dafür hab ich noch welche vom Carneval und ein paar andere, die ihr in der Galerie findet… :)

Donnerstag, 4. Oktober 2012

AL AIRE

AL AIRE






…da ist man einen Monat in einem fremden Land, lernt seit einem Monat Spanisch – und zack ist man im Radio!
Ja, wir waren auch überrascht.




ein strahlender Techniker bei der Arbeit
Am Montag hat uns die Susana mit uns ein Treffen um 19.45 Uhr „en punto“ an der Kathedrale von Valpo ausgemacht. Wir sollten uns irgendwo vorstellen, leider haben wir alle nicht ganz verstanden wo. Unsere Spekulationen reichten von einem ökumenischen Kirchenrat bis hin zu einem christlichen Radiosender. Letzteres schien uns aber eher unwahrscheinlich…. denkste!


 Wir sind schnurstracks zu dem Aufnahmestudio gegangen, wo wir über uns erzählen sollten, uns vorstellen, was wir hier im Guay machen, dass es in Nürnberg „3 im Weggla“ gibt, wo und wie wir hier leben, wer kocht und auch über das, was der Guay anbietet. Das Ganze war natürlich auf Spanisch und auch live. Eine Stunde lang waren wir AL AIRE (on air), mit kleinen Zwischenpausen. Und es hat erstaunlich gut geklappt. Die Susana war dabei, hat uns Sicherheit gegeben und auch viel über den Guay erzählt.

bei der Aufnahme



Am Anfang war ich ganz schön aufgeregt, aber gegen Ende sind wir reingekommen und es hat auch Spaß gemacht.  Die Moderatorin war super-nett, hat ganz langsam und deutlich gesprochen und wir haben alles verstanden.
mit der netten Moderatorin




 

Ein unvorhergesehener aufregender Abend, mit einem neuen kleinen Erfolgserlebnis…











Dienstag, 2. Oktober 2012

die neue Familie

die neue Familie 


beim ganz normalen Frühstück

wir haben ein "festes" Heimatbrot gefunden!! :)
Ja, wir leben hier in einer neuen Familie: die Rahel-Matze-Simon-Leonie-Familie. Und inzwischen haben wir rausgefunden, dass man, wenn man so neu zusammengewürfelt wird, neue Wertvorstellungen, Präferenzen und Gewohnheiten an sich selbst und an den anderen entdeckt. Es gibt viele Dinge, die ich selbst an mir neu bemerke, von denen ich nie wusste, dass sie existieren und die einfach so selbstverständlich bisher galten – die jetzt aber durch die anderen in Frage gestellt werden. Und das ist sehr interessant. Man beginnt das zu hinterfragen, was man all die Jahre einfach gelebt hat. Ich entdecke jetzt Gründe dafür, warum wir manches so und so gemacht haben und ich mache mir Gedanken darüber, was mir davon gefällt, und was ich aber auch von den anderen 3 sehe, wie sie leben und was ich davon gerne übernehmen will. 



Wir haben uns die Zeit genommen, eine „Feedback-Runde“ zu machen, und einfach zu erzählen, wie es bei uns zu Hause so abläuft, wie die das letzte Ende vom Bort heißt und ob man mit dem Löffel oder mit dem Messer in die Marmelade geht. Welche Aufgaben im Haushalt übernommen wurden, was man gerne macht, welchen Stellenwert das gemeinsame Essen hat. Und dann die große Frage: Wie wollen wir das hier handhaben? Was ist uns wichtig? Worauf können wir uns einigen, wo sind wir bereit von unsren alten Gewohnheiten Abstand zu nehmen und Kompromisse einzugehen? 

Zusammenleben bedeutet auf jeden Fall an sich selbst arbeiten - und das ist eine Herausforderung, weil sich vieles einfach schon in den 18 Jahren sehr gefestigt hat. Und das dann zu ändern, das braucht viel Geduld. Geduld uns allen gegenüber und natürlich auch mit mir selbst. 



Wir haben jetzt feste „Dienste“ eingeteilt, die wir hier an der Wand aufg
unsere To-Do-Wand
elistet haben. Jeden Morgen beim Frühstück werden die Losungen für den Tag vorgelesen – aber da niemand von uns die als Buch dabei hat, werden sie jede Woche von einem von uns abgeschrieben und vorgelesen. Einer ist immer für den Müll zuständig, Tüte rein – wenn voll: zubinden & in großen Müll – neue Tüte rein. Dann gibt’s noch den ehrenvollen täglich auszuführenden Job des Einkaufslistenschreibens; und dann noch einmal das Zimmer kehren. Insgesamt rotieren wir dann wöchentlich. 

mit viel Manneskraft...
Einkaufen, Spülen und Kochen machen wir spontan, wie wir Lust und Zeit haben. Und das klappt ganz gut. Denn inzwischen hat auch die schwäbische Küche Einzug gehalten: Rahel hat mit Simon echte Spätzle gemacht!! Mit viel Schweiß und Herzblut standen die beiden in der Küche und haben den Spätzlesteig, der ja leider nicht mit dem echten Spätzlesmehl hergestellt werden konnte, durch eine Art Sieb gepresst. War super-lecker! 

... Rahels Special-Spätzle-Wissen...

















... ein paar Zwiebeltränchen...















...wird das Mahl perfekt!
 













 
wer will felißige Handwerker sehen..? lalala...


Die Jungs waren auch schon ganz fleißig und haben einen alten Schrank zersägt und sich ganz fachmännisch à la Hornbach – es gibt immer was zu tun ein neues Regal gebaut. Sieht richtig gut aus… :) 







Kino-Feeling :)


Und an ein paar Abenden haben wir auch schon gemeinsam „How I met your mother“ oder „Pumuckl und sein Meister Eder“ geschaut. Das ist wunderschön, wenn wir dann zu 4. im Zimmer der Jungs auf den Betten sitzen und gemeinsam unser kleines Kino machen. Und da die beiden ja leider kein Fenster haben, ist es wirklich wie im Kino stockdunkel… :)